Hubertus MYNAREK ist ein deutscher Philosoph, Theologe, Religionswissenschaftler und Kirchenkritiker.

Mynarek wächst in einem katholischen Elternhaus in Schlesien auf. Vier Jahre Volksschule in Groß Strehlitz, danach fünf Jahre lang, bis 1945, Besuch des deutschen Gymnasiums ebendort.

20. Januar 1945: Einbruch der sowjetrussischen Armee im westlichen Teil Oberschlesiens, u.a. in Groß Strehlitz. Sein Vater wird zwei Mal, mit kurzen Unterbrechungen, von den Sowjets verhaftet und schwer misshandelt.

April 1945: Die Russen übergeben die Verwaltung der Stadt Groß Strehlitz an die Polen. Im Mai 1945 verhaften sie Hubertus Mynarek. In einem Keller, umfunktioniert in ein Gefängnis, erlebt er Tag für Tag die Rache der Sieger. Angesichts dieses Horrors hat er die Eingebung, katholischer Priester zu werden. Wie ein Wunder erscheint es ihm damals, dass er sogleich am folgenden Tag nach diesem Erlebnis freigelassen wird, obwohl jeden Donnerstag ein Teil der Häftlinge ins Innere Polens und in die Sowjetunion abtransportiert wurde und keiner, wie die Gefängnisleitung ständig betonte, die Heimat wiedersehen würde.

Nach der Freilassung besucht Mynarek mangels deutscher Schulen in dem von Polen besetzten Schlesien zuerst das neu eröffnete polnische Gymnasium in Groß Strehlitz und danach das polnische Elite-Lyzeum in Kattowitz, wo er auch sein Abitur macht. Danach Studium der Theologie an der altehrwürdigen Jagiellonen Universität zu Krakau, wo er 1952 das Ministerium in Theologie mit einer Arbeit über den deutschen Philosophen Max Scheler erwirbt. Ebendort promoviert er 1954 zum Dr. theol..

Zwischendurch wird er im Juni 1953 zum katholischen Priester geweiht und betreibt er neben der Vorbereitung auf sein Doktorat Seelsorgearbeit in verschiedenen Pfarreien Oberschlesiens. Bald aber ereilt ihn ein Berufsverbot der polnischen Behörden wegen vermeintlicher Beeinflussung der noch in Schlesien verbliebenen deutschen Bevölkerung. Er dürfe sich zwar im jenseits von Schlesien befindlichen alten Polen aufhalten, nicht aber im neubesetzten Schlesien, Pommern oder Ost- bzw. Westpreußen. Daraufhin studiert Mynarek noch einmal Philosophie im Osten Polens an der katholischen Universität zu Lublin, wo er 1956 das Magisterium in Philosophie erwirbt.

Während der stalinistisch-kommunistischen Herrschaft in Polen versucht Mynarek mehrfach vergeblich, eine Ausreisegenehmigung nach Deutschland zu bekommen. Erst nach Eintritt und längerer Dauer des „polnischen Tauwetters“ unter Władysław Gomułka wird endlich sein Antrag bewilligt, und er kann im April 1958 in die BRD ausreisen, allerdings nicht ohne ihm vorher einen Teil seiner philosophischen Bücher beschlagnahmt zu haben.

Die lieben westdeutschen „klerikalen Brüder“, in ihrer großen Mehrheit überzeugt, dass im Osten keine Intelligenz blühen könne, verweigern ihm zunächst eine Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeit im universitären Bereich. Man setzt ihn fast zwei Jahre lang als Hilfskaplan in der Seelsorge einer kleinen Pfarrei ein. Danach beordert man ihn auf den Posten des Internatsleiters eines Mädchengymnasiums in Ahlen/Westfalen.

Gegen Ende 1961 erhält Mynarek dann aber doch die Möglichkeit, eine Stelle als Assistent an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster/Westfalen zu bekommen. Bis 1963 ist er Assistent in Münster, danach drei Jahre lang Assistent an der Universität Würzburg, wo er sich 1966 mit einer Arbeit zum Thema Theologie und Evolution unter besonderer Berücksichtigung der Theologie Hermann Schells und Teilhard de Chardins für die Fächer Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft habilitiert. Diese Arbeit, über 1000 Seiten zählend, erscheint 1967 unter Förderung durch die deutsche Wissenschaftsgesellschaft in Form von zwei Büchern („Der Mensch – Sinnziel der Weltentwicklung“ 1967, Schöningh-Verlag, und „Mensch und Sprache“, ebenfalls 1967, im Herder-Verlag).

Schon gleich nach der Habilitation bekommt Mynarek eine Professur an der Theologischen Hochschule Bamberg. 1968 erhält er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Universität Wien. 1971/72 wählt ihn die katholisch-theologische Fakultät dieser Universität zu ihrem Dekan.

Im Zeitraum von fast zwanzig Jahren, die Mynarek als katholischer Priester und Theologe in der katholischen Kirche verbringt, kommt er auch in engsten Kontakt mit dem Machtapparat der Kirche und den diversen Amtsinhabern und Würdenträgern der katholischen Hierarchie. Er leidet unter der oft gewaltigen Diskrepanz zwischen ihrer salbungsvollen Verkündigung und ihrem luxuriösen Leben. Seine Zweifel an dem von ihnen verkündeten Gott, an der von der Kirche vollzogenen Strategie, aus dem einfachen Wanderprediger Jesus einen absolut weltbeherrschenden Christus zu machen, der genau den Herrschaftsidealen des Papsttums entspricht, werden immer größer. Im Spätsommer 1972 verfasst Mynarek deshalb einen Offenen Brief an Papst Paul VI., in dem er die Demokratisierung der katholischen Kirche fordert und den Zölibat der Herren der Kirche als Schein und Heuchelei brandmarkt.

Der Zölibat, so Mynarek, sei nur ein Strukturpfeiler der Herrschaft der Männer in der Kirche, so dass er abgeschafft werden müsse. Mynarek kommt zu der Überzeugung, dass eine wirkliche Reform der Kirche von innen her gar nicht mehr möglich ist. Daher tritt er auch im selben Jahr aus diesem Machtgebilde, das die Religiosität der Menschen nur für ihre Herrschafts- und Profitinteressen benutzt, aus (siehe dazu auch den Artikel in DER SPIEGEL vom 13. November 1972 über Mynareks Kirchenaustritt). Im harmonischen Zusammenspiel von Kirche und Staat wird ihm daraufhin die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. Aufgrund des Konkordats zwischen dem österreichischen Staat und der Kirche wird er zwangspensioniert. Der berühmte Völkerrechtler der Universität Wien, Professor Walter Antoniolli, schrieb dazu in der österreichischen Zeitschrift PROFIL, dass das Konkordat zwischen Kirche und Staat in Österreich verfassungswidrig sei, wenn ein Wissenschaftler vom Range Mynareks wegen eines Kirchenaustritts seinen Lehrstuhl an einer staatlichen Universität verliere.

Aus einem weiteren Artikel, den das Magazin DER SPIEGEL über Mynarek veröffentlicht, erfährt dieser erst, dass sein Kirchenaustritt überhaupt der erste eines Universitätsprofessors der Theologie im deutschen Sprachraum des 20. Jahrhunderts sei. Die Sensation, die damit verbunden war, will der Bertelsmann-Verlag, einer der größten Medienkonzerne der Welt, für die Herausgabe eines Bestsellers nutzen. Er schickt Mynarek ein Telegramm, in dem er sein großes Interesse an einem von ihm zu schreibenden Buch über die Zustände in der Kirche bekundet. Mynarek schreibt dieses Buch mit dem Titel „Herren und Knechte der Kirche“. Das Manuskript dieses Buches wird von den Verantwortlichen in der Münchner Filiale des Bertelsmann-Verlags voll akzeptiert, aber unter dem Druck der Kirche und der Drohung mit Gerichtsverfahren und hohen Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen seitens der sich durch Mynareks Buch beleidigt fühlenden Kirchenmänner tritt der Verlag unter Brechung des Vertrags von diesem zurück. Das Buch erscheint dann trotzdem im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch, aber aufgrund einstweiliger Verfügungen und Gerichtsprozesse gegen den Autor und den Verlag ist es beiden bis heute verboten, das Buch zu veröffentlichen.

Erst dreißig Jahre später kommt die zweite und ein Jahr danach die dritte Auflage des Buches heraus, in denen zwar die Namen der prozessführenden Kirchenmänner und Theologen nicht genannt werden dürfen, die aber dadurch noch interessanter sind, dass Mynarek in ihnen die unglaublichen Winkelzüge der Justiz mit fast ständigen Verbeugungen vor der Macht der Kirche und des Bertelsmann-Konzerns minutiös schildert.

Denn auch dieser so reiche Konzern beginnt eine Prozesslawine gegen den Autor, verlangt von ihm, dem bereits sein Grundstück zwangsgepfändet worden war, das Buchhonorar nebst 13 Prozent Zinsen zurückzuzahlen, obwohl doch er, und nicht Mynarek, den Buchvertrag gebrochen hatte. Mynarek verliert alle seine Prozesse vor den Gerichten in München und Nürnberg, bis ihn der berühmte jüdische Politologe und Rechtswissenschaftler Ossip K. Flechtheim drängt, doch vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu gehen. Es ist der erste Sieg eines einzelnen Autors gegen einen mächtigen Medienkonzern, wobei die Vertreter des Ersten Senats des Bundesgerichtshofs sich auch nicht mit der Kritik an den Kirchenmännern und deren haltlosen Vorwürfen gegen Mynarek zurückhielten. Am Ende hatten doch der Mut und die Ehrlichkeit eines Einzelnen gegen ein gewaltiges Machtgefüge gesiegt!

Mynarek verfasst in den folgenden Jahren noch weitere kirchenkritische Bücher, u.a. „Religion, Möglichkeit oder Grenze der Freiheit“, „Eros und Klerus“, „Zwischen Gott und Genossen“, „Verrat an der Botschaft Jesu“, „Denkverbot. Fundamentalismus in Christentum und Islam“, „Die neue Inquisition“, „Kritiker contra Kriecher“, „Erster Diener seiner Heiligkeit“ (über Kardinal Meisner), „Luther ohne Mythos“, „Warum auch Hans Küng die Kirche nicht retten kann?“ und die Papst-Trilogie: „Der polnische Papst“, „Papst-Entzauberung“ (über Benedikt XVI. alias Josef Ratzinger) und „Papst Franziskus – die kritische Biographie“.

Mynarek liefert aber auch viele Beiträge zur Philosophie und Weltanschauungsproblematik, unter anderem „Orientierung im Dasein“, „Der kritische Mensch und die Sinnfrage“, „Religiös ohne Gott?“, „Mystik und Vernunft“, „Ökologische Religion. Ein neues Verständnis der Natur“, „Die Kunst zu sein. Philosophie, Ethik und Ästhetik sinnerfüllten Lebens“, „Die Vernunft des Universums“, „Unsterblichkeit“, „Streiter im weltanschaulichen Minenfeld“, eine Festschrift für Prof. Mynarek, hrsg. Von C. Baumann und N. Ulrich, „Die Neuen Atheisten“, „Weltrangordnung und Humanität“ und „Vom wahren Geist der Humanität. Der evolutionäre Naturalismus ist kein Humanismus“.

Mynarek schafft mit diesen Büchern auch das Konzept einer ökologischen Religionsphilosophie und eines öko-spirituellen Humanismus.

Eine neue Sicht auf die Uranfänge des Christentums bringt er in seinem Buch „Jesus und die Frauen“.

Nach seinem Austritt aus der Kirche schließt sich Mynarek nie mehr irgendeiner Organisation an. Er ist zwar Mitbegründer der Bundesarbeitsgemeinschaft Christen bei den Grünen, verfasst in deren Auftrag auch eine Broschüre über die Vereinbarkeit von Christentum und grüner Ideologie, tritt aber nie dieser Partei formell und offiziell bei, ebenso nicht, obwohl das von ihm mehrfach behauptet wird, den Deutschen Unitariern, in deren Auftrag er 1979 sein Buch „Orientierung im Dasein“ verfasst. Auch irgendeiner sozialistischen bzw. kommunistischen Vereinigung schließt er sich nie an, aber er schreibt auf der Grundlage seiner offenen und freiheitlichen Gesinnung zahlreiche Beiträge für die atheistische Zeitschrift „diesseits“ und für die Zeitung „Neues Deutschland“. 2009 tritt die Partei Die Linke an ihn heran, mit der Bitte, sich auf ihre Liste bei der Kommunalwahl in der Verbandsgemeinde Bad Sobernheim setzen zu lassen. Diesem Wunsch gibt er nach, ohne auch hier dieser Partei beizutreten. Mynarek ist darüber hinaus Mitherausgeber der Philosophie-Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“, in der er bis heute zahlreiche Aufsätze veröffentlicht. Der österreichische Freidenkerbund zeichnet ihn mit dem Sir-Karl-Popper-Preis für Verdienste um die Offene Gesellschaft aus.

Mynarek ist Vater von einer Tochter und zwei Söhnen. Sein Sohn Markus ist ebenfalls Schriftsteller und inzwischen Verfasser von fünf Büchern.