Rudolf Schermann in „Kirche In. Das internationale, christlich-ökumenische Nachrichtenmagazin“, 09/2007

Der Name Hubertus Mynarek wirkt auf frommkatholische Kenner wie die Warnung vor einem Tsunami. Selbst gestandene Verleger kommen in Verlegenheit, sobald der wortgewaltige Uni-Professor a.d. für Religionswissenschaft und Fundamentaltheologie mit einem neuen Buch- Manuskript winkt. auch das neueste Werk des notorischen Querdenkers „Papst-Entzauberung, das wahre Gesicht des Joseph Ratzinger und die exakte Widerlegung seiner Thesen“, ist ein veritabler Elefant im überfüllten Porzellanladen der schier unübersehbaren Schwemme von Benediktbüchern.

Ratzinger und Mynarek: zwei Deutsche, deren Lebensläufe zunächst überraschende Parallelen aufweisen. Der eine wie der andere wächst in Hitlers Drittem Reich heran. Beide kommen aus gut katholischen Familien. Beide besuchen als Kinder brav den Gottesdienst. Der junge Ratzinger aus Bayern dient in den letzten Tagen des Krieges als Luftwaffenhelfer, kann sich im allgemeinen Chaos davonmachen. Der junge Mynarek aus Oberschlesien ist Oberjungzugführer in Hitlers Jungvolk. Eine harmlose Angelegenheit, trotzdem wird er 1945 von der polnischen Polizei verhaftet, landet im Gefängnis. In seiner Aussichtslosigkeit und Verzweiflung nimmt er Zuflucht zum Gebet. Als er aus dem Gefängnis entlassen wird, schreibt er dies der Fürsorge Gottes zu. Ratzinger wie Mynarek wollen Priester werden. Beide treten 1948 ins Priesterseminar ein. Doch während Ratzingers Lebenslauf eine lineare, ungebrochene Entwicklung zur Priesterweihe und dann zur Professur ausweist, plagen den radikalen Idealisten Mynarek immer wieder Glaubenszweifel. Auch er besitzt einen scharfen Intellekt, wird bereits in jungen Jahren zum Universitätsprofessor, unterrichtet wie Ratzinger unter anderem Fundamentaltheologie, und wird sehr bald zum Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Wien gewählt. Doch da trennen sich die Wege.

Bruch mit der Kirche

Während der „demütige“, in Wirklichkeit aber recht ehrgeizige Ratzinger in der kirchlichen Hierarchie immer höher steigt, zerbricht der Idealist Mynarek an der alltäglichen Wirklichkeit seiner Umgebung und der kirchlichen Entwicklung. Immer mehr verfestigt sich in ihm die Überzeugung: Die Kirche habe sich von dem, was Jesus wirklich wollte, weit entfernt. Die hierarchische Kirche gilt ihm aber auch als nicht reformierbar. Radikal wie er ist, tritt er aus der Kirche aus. Ein Theologieprofessor und Dekan, der aus der Kircher austritt: Die Öffentlichkeit war schockiert. Noch dazu, wo Mynarek in einem explosiven Buch mit dem Titel “Herren und Knechte der Kirche“ (von Bertelsmann als zu scharf abgelehnt, bei Kiepenheuer & Witsch schließlich 1973 erschienen) die menschlichen, allzumenschlichen Schattenseiten dessen, was er seiner Umgebung erlebte, der Öffentlichkeit darbot. Die Medien warfen sich auf das Buch, es wurde ein Bestseller.

Doch Mynarek konnte sich an dem Erfolg nicht lange erfreuen. Die vom Buch direkt Betroffenen prozessierten Mynarek in den folgenden Jahrzehnten in Grund und Boden. Seine Ehe zerbrach, er geriet an den Rand seiner Existenz. Freunde unter den Kirchengegnern halfen ihm. Die Zweifel an der Existenz Gottes und der Gottheit Jesu machten ihn zu einem Agnostiker.

Mynarek heute: “Ich bin nicht wegen des Zölibats ausgetreten. Sondern wegen der autokratischen Strukturen der Kirche..... Dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreiben kann, würde ich heute so ähnlich sehen, auch wenn mein Gottesbegriff sich verändert hat. Das Dasein, das wir als Grundlage alles Seienden annehmen können, ist unbegreifbar, unbeschreibbar, unnennbar. Und da meine ich, dass es wahrscheinlich gar keinen so großen Unterschied zu Ihrem Gottesbegriff gibt, denn wenn Sie die aussagen großer Theologen und Mystiker nehmen, dann sind das Aussagen der negativen Theologie, das heißt, dass man von Gott nur aussagen kann, was er nicht ist, und nicht, was er ist.

Auch Mynareks neuestes Werk ist ein brillant geschriebenes Buch, sehr lesenswert. Man wird Mynarek nicht in allem folgen. Seine Wahrhaftigkeit verdient aber Verständnis und Respekt.